2013-10-24

untitled #15

"Als schon etliche Kilometer hinter dir liegen und deine Lunge pfeift, verlangsamst du deine Schritte und was du siehst, sind grüne Weiden im Halbschatten der herbstgelben Bäume, und weit hinten steht ein einsames, weißes Pferd. Und dir wird plötzlich klamm. Irgendwas in dir fühlt sich wund an. Nicht, dass du etwas Tragisches mit weißen Pferden verbindest, oder mit der Oktobersonne, die sich träge einen Weg durch die Wipfel bahnt, es ist nur… es ist dir zu viel. Dir ist einfach alles zu viel, dieser Anblick, dieses Pferd, die vielen Blätter, die unter deinen Turnschuhen krümeln. Jedes Blatt, ein groteskes Werk aus winzigen Äderchen und Zellteppichen, ein kleines Kraftwerk- und jetzt unter deinen Nike’s im Schlamm. Milliarden. Milliarden Blätter unter Millionen von Schuhen, die an Millionen von Menschenfüßen stecken, von denen jeder sein eigenes Leben lebt, und möglicherweise jeder zehnte gerade an ähnliche Frustrationen zu beißen hat wie du. Milliarden von Plänen, Milliarden von Hoffnungen, Milliarden von alternativen Schicksalen. Alles könnte anders sein, du könntest jemand anderes sein. In deinem Kopf lebst du schon lange jeden Tag in einem anderen Paralleluniversum; du hast dir sämtliche dieser Universen schon so bunt ausgemalt, dass du um ihre Farce vergisst. Warum aber das Pferd, das weit weg still steht und dessen Huf du dennoch abbekommen hast? Warum diese Erkenntnis, die inmitten wohlbekannter Weiden, an denen du seit Jahren vorbeikommst, plötzlich auf dich herabzuregnen beschließt? Weil es jemand anderes sein könnte, der dort vorbeiläuft und dieses Pferd sieht. Der Ort könnte bis ins Detail genau gleich aussehen und ein anderer sein. Dein Ziel könnte ein anderes sein. Dein Ziel könnte so viel näher sein. Schlussendlich könntest du auch einfach wissen, was eigentlich dein Ziel ist. Aber hier bist du, mit deinem wirklichen Leben, vor dir einen schlammiger, von Schlaglöchern übersäter Weg, und das Pferd, und die Sonne und der unendliche blaue Himmel, der immer derselbe ist."
Ich weiß nicht, ob das Sinn macht.

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